Was ist BIA-ALCL (zusätzliches Krebsrisiko bei texturierten Implantaten)
BIA-ALCL ist kein Brustkrebs, sondern ein Lymphom (Krebs), der nicht über das Blut zu diagnostizieren ist!
Birgit Schäfers hat Ende 2019 an einer Fortbildung für Ärzte zum Thema BIA-ALCL in München teilgenommen. Darüber hinaus hat eine der Gruppenadministratorinnen am 1. Internationalen Ärzte-Kongress in Rom im Oktober 2019 teilgenommen, der 3. Kongress steht an im Oktober 2021 und wir werden dabei sein. Das Wissen über BIA-ALCL ist derzeit in Deutschland noch sehr gering. Es liegen Fälle vor, in denen einzig durch den Verbleib von Kapselresten nach texturierten Implantaten BIA-ALCL entstanden ist; so ist zu erwarten, dass erstens die Dunkelziffer wesentlich höher sein dürfte als die bekannten Fälle und 2. die Zahl der noch zu erwartenden Diagnosen erheblich steigen wird. Allein durch die Zulassung einer bestimmten Implantatart hat sich zwischen 2013 und 2016 Zahl der eingesetzten texturierten Implantate verfünffacht. Da die Diagnose von BIA-ALCL meist nach ca. 6-10 Jahren gestellt wird, ist in den kommenden Jahren mit einer stark ansteigenden Diagnosezahl zu rechnen. Die Ärzteschaft fühlt sich aufgrund steigender diagnostizierter Fälle und angesichts der Todesfälle durch BIA-ALCL weltweit, aufgerufen, sich mit dieser Erkrankung zu befassen.
Frauen/ TransFrauen, die texturierte Brustimplantate haben/hatten und folgende Symptome aufweisen, sollten eine Testung durchführen lassen:
- unerwartete Veränderungen der Brustform, einschließlich Asymmetrie
- Rötung und Schwellung der Brust
- Vergrößerung der Brust
- Brust fühlt sich anders an, z.B. härter
- Schmerzen in der Brust/um die Brust
- Knoten in der Brust/um die Brust oder Achsel
- Geschwollene Lymphknoten
- Jucken/Rötung der Brust oder der umliegenden Haut
- Hautläsionen
- Fieber
- Extreme Erschöpfung
- Nachtschweiß
- *Serom/Flüssigkeit um das Implantat, dargestellt durch bildgebende Maßnahmen wie Ultraschall, MRT
- *Raumforderung oder verdickte Stellen der Kapsel um das Implantat, dargestellt durch bildgebende Maßnahmen wie Ultraschall, MRT
*Ein MRT und ein Ultraschall können verwendet werden, um Flüssigkeit, Raumforderung oder verdickte Bereiche um ein Implantat zu identifizieren, die auch vor dem Explantieren getestet werden können
Untersucht werden, sollte die Kapsel, Tumormasse; ein Serom (mind. 50ml auf Eis gelagert) ist nicht immer aussagekräftig, es kann hier zu falschen Ergebnissen kommen. So ist es zwar möglich, auch ohne Explantation durch Punktion Flüssigkeit zu entnehmen und zu untersuchen, das Serom muss allerdings nicht zwingend positiv sein und es kann dennoch in der Kapsel bereits ein BIA-ALCL vorliegen.
Das Fehlen eines Blutflusses bei Raumforderung oder verdickten Bereichen verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sie bösartig sind, sollten aber über eine Biopsie ausgeschlossen werden. Mit Ultraschall geführte Biopsien vor der Explantation können aus Raumforderung, Flüssigkeit und verdickten Bereichen der Kapsel entnommen werden, ohne das Implantat zu verletzen. Nach amerikanischem Standard sollten zur höchsten Sicherheit 12 Stellen der Kapsel untersucht werden. Dies erscheint bei einer Biopsie ohne zu explantieren eher schwierig.
Eine Kurzzusammenfassung des Kongresses in Rom aus Oktober 2019 incl. Empfehlung von Dr. Miranda zum Vorgehen bei texturierten Implantaten finden Sie im Download-Bereich unter „Informative Seiten/Filme“Artikel“!
1997 wurde erstmalig ein Fall eines BIA- ALCL bei einer Patientin mit Brustimplantaten publiziert. Seit 2011 wurde es als eigenständige Erkrankung von der FDA anerkannt.
Im April 2019 kam es zu einer historischen Handlung: in Frankreich und Canada wurden texturierte Implantate zum Schutz inzwischen verboten; andere Länder haben sich angeschlossen. In Deutschland sind texturierte nach wie vor erlaubt. Allergan hat im Juli 2019 sicherheitshalber freiwillig alle texturierten BIOCELL-Implantate weltweit zurückgerufen. Dies bezieht sich allerdings nur auf noch nicht bereits eingesetzte Implantate. Das BfArM hat am 19.8.2019 seine Empfehlungen zum Thema veröffentlicht. Hier geht es direkt zu den Hinweisen. Leider wird nicht empfohlen, texturierte Implantate vorsorglich zu entfernen. Es soll abgewartet werden, ob sich Symptome zeigen. Auch ein Empfehlungspapier von SCHEER (Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks) vom 26.03.2021, das an alle Gesundheitsorganisationen Europas verschickt wurde, spricht noch immer nicht von einem Verbot von texturierten Implantaten.
Die Dunkelziffer von an BIA-ALCL Erkrankten, dürfte um ein vielfaches Höher sein, als die offiziellen Angaben. Da hier weder gezielte Studien stattgefunden haben, noch bis heute die Diagnose wirkliche Beachtung findet. Hier in Deutschland wird es immer noch von vielen weder ernst genommen, noch ist es überhaupt bekannt.
Selbst Brustzentren kennen sich z.T. damit nicht aus oder haben sogar noch nie etwas davon gehört.
Deshalb ist es wichtig, dass jede Betroffene selbst sich gut informiert und auch auf das richtige Vorgehen besteht. Wichtig ist auch die richtige pathologische Untersuchung, nicht in irgendeiner Pathologie. Es gibt 8 Referenzzentren für Lymphome (s.u.), inwieweit dort die Richtlinien für BIA-ALCL nach NCCN befolgt werden, ist uns nicht bekannt. Die Richtlinien des NCCN für BIA-ALCL finden Sie im Downloadbereich! Die Explantation der Implantate in geschlossener Kapsel (enbloc/in toto) unerlässlich.
Das BIA-ALCL gehört zu den T-Zell-Lymphomen und entsteht im Bereich des Implantatlagers.
Das Lymphom wird als verspätete Ansammlung von Flüssigkeit um das Implantat klinisch auffällig, es zeigt sich eine intrakapsuläre Zellmasse, außerdem finden sich sowohl ein Serom als auch solide Tumormassen. Wegweisendes Erstsymptom ist sehr oft – allerdings nicht in allen Fällen – ein ein- oder beidseitiges Serom (Flüssigkeitsansammlung), das eine Brustschwellung, neu aufgetretene Asymmetrie oder Schmerzen verursacht. Hautveränderungen (zum Beispiel Inflammation (Entzündung) und Lymphadenopathien (krankhafte Schwellung von Lymphknoten) sind ebenfalls beschrieben. Die meisten Befunde traten sieben bis zehn Jahre nach Implantation auf, wobei eine Patientin bereits zwei Jahre nach Implantation am BIA-ALCL erkrankte und bei einer anderen Patientin die Diagnose über 32 Jahre nach Implantation gestellt wurde.
Lymphome selbst sind die häufigste hämatologische Krebserkrankung und können sich aus B- und T-Lymphozyten entwickeln. Anaplastische Großzell-Lymphome sind die dritthäufigsten peripheren T-Zell-Lymphome mit circa 2 % Anteil an allen Lymphomen im Erwachsenenalter. Wichtig in der gesamten Diskussion ist zunächst die Unterscheidung der Subtypen, die 2016 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erneut – basierend auf klinischer Erscheinung und molekularbiologischer Charakterisierung – klassifiziert wurden. Man unterscheidet:
- primär systemische ALCL, anaplastische-Lymphomkinase (ALK)-positiv
- primär systemische ALCL, ALK-negativ
- primär kutane ALCL (PC-ALCL)
- Brustimplantat-assoziiertes ALCL (BIA-ALCL), ALK-negativ, CD30-positiv
Die Pathogenese des BIA-ALCL ist noch weitestgehend unverstanden. Diskutiert werden ein Zusammenhang mit einer implantatinduzierten chronischen Inflammation (Entzündung) oder einer genetischen Empfindlichkeit im Sinne einer ausgeprägten reaktiven Dysplasiereaktion (Fehlbildungsreaktion) auf chronische Entzündungen. Auch werden als Auslöser der Partikelabrieb der Implantate, ein subklinischer Biofilm oder eine chronische T-Zell-Stimulation vermutet. Auffällig ist, dass in aufgearbeiteten Implantat-assoziierten Zwischenfällen der FDA, in denen die Oberflächenbeschaffenheit der Implantate bekannt war, ein texturiertes Implantat vorlag.
Ein wichtiges weiteres Kriterium für das BIA-ALCL ist der fehlende Nachweis von anaplastischer Lymphomkinase (ALK). Alle gemeldeten BIA-ALCL sind CD30-positiv und ALK-negativ. Andere T-Zell-Antigene werden variabel exprimiert, zum Beispiel CD4 (84 %), CD43 (80 %), CD3 (30 %), CD45 (36 %) und CD2 (30 %) .
Die histopathologische Beurteilung sollte in einem der 8 Referenzzentren für Lymphome durchgeführt werden.
Der Preis für die Testung muss individuell erfragt werden!
Referenzpathologische Begutachtung
Die histopathologische Diagnose von malignen Lymphomen und deren therapierelevante Klassifikation ist häufig außerordentlich schwierig. Deshalb werden die Gewebeproben vieler Fälle in Deutschland zur Diagnoseabsicherung in pathologische Institute mit langjähriger diagnostischer und wissenschaftlicher Erfahrung auf dem Gebiet der Lymphknotendiagnostik – den Referenzzentren für Lymphknotenpathologie in Berlin, Frankfurt, Kiel, Lübeck, Stuttgart, Tübingen, Ulm und Würzburg – geschickt.
Diese Praxis hat sich in den vergangenen Jahren außerordentlich bewährt und wird auch in den meisten europäischen und nicht-europäischen Ländern als beispielhaft angesehen. Auf der Grundlage dieser günstigen Situation haben sich die großen deutschen Lymphom-Studiengruppen entschlossen, die Behandlung einer Patientin im Rahmen einer Therapieoptimierungsstudie eng an das Vorliegen einer referenzpathologischen Diagnose zu knüpfen. Der Informationsfluss zwischen Primärpathologen, Referenzzentren und Studienzentralen war bisher in allen Teilen papiergestützt und dadurch langsam und störanfällig. Im Rahmen des Pathologie-Projektes ist deshalb eine Computer-gestützte Infrastruktur aufgebaut worden, um die Kommunikation zu beschleunigen und um zu gewährleisten, dass die referenzpathologische Diagnose vor dem Beginn der Therapie vorliegt.
Hier finden Sie eine englischsprachige Website betroffener Frauen:
Link zur Facebook-Gruppe
https://www.facebook.com/groups/ALCLinwomenwithbreastimplants/
Quelle:
Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V.
Uniklinik Köln
D-50924 Köln
Tel.: +49 (0)221 478-96000
Fax: +49 (0)221 478-96001
Panel der Referenzpathologen im KML
Sprecher des Panels der KML-Referenzpathologen
Prof. Dr. Andreas Rosenwald
Mitglieder im Panel der KML-Referenzpathologen(Stand: 1.11.2016)
Prof. Dr. med. Alfred Feller
Hämatopathologie Lübeck
Maria-Goeppert-Str. 9a
23562 Lübeck
Tel. (+49) 0451 580840-0
Fax: (+49) 0451 580840-17
www.haematopathologie-luebeck.de
Prof. Dr. med. Falko Fend
Institut für Pathologie Universitätsklinikum Tübingen
Liebermeisterstraße 8
72076 Tübingen
Tel.: (+49) 07071 29-80207
Fax: (+49) 07071 29-2258
http://www.medizin.uni-tuebingen.de/Allgemeine+Pathologie
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Martin-Leo Hansmann
Senckenbergisches Institut für Pathologie
Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60596 Frankfurt
Tel: (+49) 069 6301-5364
Fax: (+49) 069 6301-5241
www.kgu.de/pathologie
Prof. Dr. med. Wolfram Klapper
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH, Campus Kiel)
Institut für Hämatopathologie und Lymphknotenregister Kiel
Niemannsweg 11
24105 Kiel
Tel.: (+49) 0431 597-3401
Fax: (+49) 0431 597-3462
www.uni-kiel.de/path
Prof. Dr. med. Peter Möller
Institut für Pathologie und Rechtsmedizin
Universitätsklinikum
UlmAlbert-Einstein-Allee 11
89081 Ulm
Tel.:(+49) 0731 500-56321
Fax: (+49) 0731 500-56384
www.uniklinik-ulm.de/struktur/institute/pathologie.html
Prof. Dr. med. German Ott
Institut für Klinische Pathologie
Robert-Bosch-Krankenhaus
Auerbachstraße 110
70376 Stuttgart
Tel.: (+49) 0711 8101-3390
Fax: (+49) 0711 8101-3619
www.rbk.de/standorte/robert-bosch-krankenhaus/abteilungen/pathologie.html
Prof. Dr. med. Andreas Rosenwald
Universität Würzburg Institut für Pathologie
Josef-Schneider-Str. 2
97080 Würzburg
Tel.: (+49) 0931 31-81247
Fax: (+49) 0931 201-47440
www.pathologie.uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Harald Stein
Pathodiagnostik Berlin
Komturstraße. 58-62
12099 BerlinTel.: (+49) 030 2360 84 2100
Fax: (+49) 030 2350 84 219
Teilnahme B. Schäfers BIA-ALCL-Kongress 2019